Hodenkrebs – Ein Überblick über eine der seltensten Krebsarten und eigene Erfahrungen

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Im August des Jahres 2022 bekam ich selbst die Diagnose Hodenkrebs durch meinen Urologen mitgeteilt. Mit 31 Jahren und gerade einmal seit wenigen Monaten verheiratet, ein absolut undenkbares Szenario. Online findet man nur relativ wenige Erfahrungsberichte, was wohl auch daran liegt, dass diese Erkrankung doch recht selten vorkommt. Zudem scheint vor allem das genaue Vorgehen während der Chemotherapie in den verschiedenen Kliniken recht unterschiedlich zu sein, wenn ich mir verschiedene Forenbeiträge dazu anschaue. Deswegen habe ich mich auch dazu entschieden, meine Erfahrungen mit euch an dieser Stelle zu teilen, auch wenn es thematisch sicherlich nicht zu den anderen Beiträgen auf dieser Webseite passt.

In diesem Blog-Beitrag möchte ich euch zunächst einen kurzen Überblick über diese Krebserkrankung geben, wie man diese selbst erkennen kann und wie die, glücklicherweise, guten Heilungschancen aussehen. Die wichtigste Quelle für diesen Beitrag und meiner Meinung nach auch allgemein für alle, die von der Diagnose Hodentumor betroffen sind, ist die „Patientenleitlinie – Konsultationsfassung Hodenkrebs“ des „Leitlinienprogramm Onkologie“1. Auf 187 Seiten sind dort (fast) alle wesentlichen Informationen in verständlicher Alltagssprache zu finden.

Aufgebaut wurde diese Patientenleitlinie aus der „S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Keimzelltumoren des Hodens“ des „Leitlinienprogramm Onkologie“, welche als Leitlinie Handlungsempfehlungen für die den an der Behandlung beteiligten Ärztinnen und Ärzten, Personen nichtärztlicher Gesundheitsberufe sowie den Patienten dienen soll.2 Diese ist jedoch deutlich wissenschaftlicher gehalten und somit für den Laien schwieriger zu verstehen, als die oben genannte „Patientenleitlinie – Konsultationsfassung Hodenkrebs“.

Beachtet, dass dieser Beitrag auf den hier verlinkten Version von Juli 2021 (Patientenleitlinie) und Februar 2020 (S3-Leitlinie) aufbaut. Inzwischen gibt es eine aktualisierte Version der Patientenleitlinie von Oktober 2021, die aber weiterhin auf der S3-Leitlinie von Februar 2020 aufbaut. Ihr findet die aktualisierte Version auf dieser Webseite. Wenn ihr wirklich sichergehen wollt, die aktuellste Version der Leitlinien zu erhalten, nutzt am besten die genannte Webseite oder nutzt eine Suchmaschine. Ich kann leider nicht garantieren, diesen Beitrag jederzeit aktuell halten zu können.

Diesen und andere Beiträge von mir kannst du als sauber formatierte PDF-Datei zum Ausdrucken oder offline Lesen erwerben. Mehr Informationen dazu findest du hier.

Wichtige Informationen vorab

Ich bin weder Arzt noch besitze ich eine medizinische Ausbildung. Ich gebe an dieser Stelle nur eigene Erfahrungen und angelerntes Wissen aus unterschiedlichen, seriösen Quellen wieder. Diese Quellen markiere ich durch hochgestellte Fußnoten im Text. Beim Hovern über die Zahlen oder auch ganz unten in diesem Beitrag findest du dazu dann die entsprechenden Informationen zur Quelle selbst. Diese Seite kann das Gespräch mit deiner Ärztin oder deinem Arzt nicht ersetzen. Du findest hier jedoch zusätzliche Informationen und Hinweise, die dich im Arztgespräch und im Alltag unterstützen können.

Was ist Hodenkrebs?

Hodenkrebs ist eine bösartige Zellwucherung, die vom Hodengewebe des Mannes ausgeht. Dabei sind die Bezeichnungen „Hodenkrebs“, „Hodentumor“, „Hodenkazinom“ und „Keimzelltumor des Hodens“ synonym verwendbar und bezeichnen die gleiche Erkrankung.1 Im Verlaufe dieses Beitrags werde ich mich der Einfachheit halber auf die Begriffe „Hodenkrebs“ und „Hodentumor“ beschränken.

Krebszellen sind deshalb so tückisch, weil es körpereigene Zellen sind, die durch veränderte Erbinformationen nicht mehr zerstört werden und sich unkontrolliert ausbreiten. Sie wachsen schneller als normale Körperzellen und bleiben für das Immunsystem unsichtbar.1 Krebs kann also entstehen, weil Zellen ihre gesamte Energie nicht mehr auf die ursprüngliche Zellfunktion, sondern ausschließlich auf Wucherung, also unkontrollierte Zellteilungen, ausrichten. Aufgrund der schnellen Geschwindigkeit einer solchen unkontrollierten Teilung können Krebszellen die Zellverbundgrenzen ungehindert überschreiten. Siedeln sich dabei Tochtergeschwülste (Metastasen) an anderen Stellen im Körper an, werden sie als „bösartig“ bezeichnet3.

Ohne Behandlung breitet sich der Hodenkrebs zunächst über das gesunde Hodengewebe aus, anschließend gelangt er meist zunächst in die Lymphknoten und dann in die anderen Organe des Körpers. Dabei sind vorwiegend Lunge, Niere und anschließend das Gehirn betroffen. Ohne Behandlung ist Hodenkrebs fast immer tödlich. Jedoch sind die dauerhaften Heilungschancen, vor allem bei frühzeitiger Entdeckung und im Hinblick auf andere Krebsarten, mehr als gut.1 Genauere Daten nenne ich unten im Abschnitt Überlebenschancen.

Risikofaktoren für Hodenkrebs

Es scheint tatsächlich äußert schwierig, konkrete Ursachen und Risikofaktoren für Hodenkrebs auszumachen. Allgemein hat die Lebensweise, etwa Ernährung oder Sport, wohl keinerlei Einfluss bei dieser Erkrankung1. In der Patientenleitlinie – Konsultationsfassung Hodenkrebs findet sich dazu folgender Abschnitt:

Es wird vermutet, dass die Grundlage für Hodenkrebs bereits während der Entwicklung des Kindes im Mutterleib gelegt wird. Es können „falsch programmierte“ Keimzellen entstehen, die sich später durch die Pubertätsentwicklung und äußere Einflussfaktoren zu Krebszellen entwickeln.

Patientenleitlinie – Konsultationsfassung Hodenkrebs1

Die Ursachenforschung wird zudem durch das Fehlen eines Tiermodells und durch die relative Seltenheit dieser Tumoren erschwert. Sie stützt sich daher vornehmlich auf klinische Beobachtungen und epidemiologische Untersuchungen2. Ich zitiere im Folgenden die bekannten Risikofaktoren und deren Wahrscheinlichkeiten aus der Patientenleitlinie – Konsultationsfassung Hodenkrebs1:

Risikofaktor: Hodentumor im Gegenhoden

Etwa 3 bis 5 von 100 Patienten mit einem einseitigen Hodentumor entwickeln einen Hodentumor im Gegenhoden. Dieser Risikofaktor ist also nur dann relevant, wenn du bereits einmal an Hodenkrebs erkrankt bist oder warst.

Risikofaktor: Hodenhochstand

Ein angeborener Hodenhochstand (Leistenhoden im Kindesalter) ist ein weiterer Risikofaktor. In aktuellen Studien ist das Erkrankungsrisiko für Hodenkrebs bei Männern mit einem angeborenen Hodenhochstand im Vergleich zu Männern ohne etwa dreimal höher. Auch nach einer angemessenen Behandlung des Hodenhochstandes bleibt das Erkrankungsrisiko erhöht.

Risikofaktor: Genetische Veranlagung

Wenn in deiner engen Familie (beim Vater oder Bruder) bereits jemand an Hodenkrebs erkrankt ist (genetische Veranlagung), so hast auch du ein erhöhtes Risiko. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass im Vergleich zu Männern ohne Hodenkrebserkrankung in der engen Familie das Erkrankungsrisiko etwa zweimal höher ist, wenn der Vater des Mannes bereits erkrankt ist. Ist der Bruder bereits erkrankt, ist das Erkrankungsrisiko etwa viermal so hoch. Sind mehr als ein Familienangehöriger erkrankt, ist das Risiko etwa 17-mal höher.

Risikofaktor: Störung der Fruchtbarkeit

Bei Männern, die unter einer Störung der Fruchtbarkeit leiden, tritt Hodenkrebs im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung 20-mal häufiger auf und betrifft etwa einen von 200 Männern.

Persönliche Erfahrung

Wie es auch bei 70,8 % der in der Dissertation von Simon Koppe untersuchten respektive befragten Patienten der Fall war4, trifft keiner der hier genannten Risikofaktoren auf mich zu. Die deutsche Krebsgesellschaft rät jedem Mann, vor allem ab dem 27. Lebensjahr, zu einer halbjährlichen Selbstkontrolle5. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. in Kooperation mit dem Berufsverband der Deutschen Urologen e. V. geht deutlich weiter und empfiehlt Jungen und Männern zwischen 14 und 45 Jahren, die Hoden regelmäßig einmal im Monat abzutasten6. Wie diese Untersuchung durchgeführt werden kann, findest du in den beiden genannten Quellen5,6.

In der Studie aus der oben genannten Dissertation von Simon Koppe war der jüngste Hodenkrebspatient 18 Jahre alt. Ich selbst habe einen 19-jährigen Hodenkrebspatienten während meines Klinikaufenthalts kennengelernt. Ich persönlich rate daher auch zu einer frühen und häufigeren Selbstkontrolle. Das Abtasten ist in weniger als einer Minute erledigt und weder schmerzhaft noch sonst irgendwie unangenehm. Da bei Krebs wie immer gilt, je früher er erkannt wurde, desto besser, ist ein monatliches Abtasten bereits im Jugendalter sicher empfehlenswert.

Wie wird Hodenkrebs diagnostiziert?

Zunächst führt der Urologe oder die Urologin eine körperliche Untersuchung durch. Dies beinhaltet vor allem das Abtasten der Hoden, aber auch der Brustdrüsen, des Bauchraums und die oberflächlichen Lymphknoten oberhalb des Schlüsselbeines sowie im Leistenbereich. Im Anschluss folgt dann eine Ultraschalluntersuchung. In mehr als 9 von 10 Fällen lässt sich so bereits ein Hodentumor diagnostizieren, wobei dabei weder die Art noch die Beschaffenheit des Tumors endgültig bestimmt werden kann. Häufig werden bei der Ultraschalluntersuchung auch innere Organe wie Leber, Nieren oder Milz überprüft, sowie Lymphknoten überprüft. Zwar lässt sich auch damit keine zweifelsfreie Ausdehnung des Tumors bestimmen, aber die Ergebnisse können die Diagnose stützen.1

Mittels einer kontrastmittelgestützten Computertomografie (CT) des Oberkörpers kann eingeschätzt werden, wie weit der Tumor sich bereits im Körper ausgebreitet hat. In der Regel wird das CT nach der gesicherten Diagnose des Hodentumors durchgeführt. In speziellen Fällen, wie Allergien oder einer sehr weit fortgeschrittene Erkrankung, erfolgt statt oder zusätzlich zum CT eine Magnetresonanztomografie (MRT).1

Eine Blutuntersuchung wird bei jeder gesicherten Diagnose, aber auch bei Verdachtsmomenten, durchgeführt, um die Tumormarker im Blut zu bestimmen. Die für den Hodentumor entscheidenden Tumormarker sind: das Alpha-Fetoprotein (AFP), das Humane Choriongonadotropin (Beta-hCG) und die Laktatdehydrogenase (LDH). Bei jedem zweiten Patienten sind diese Marker erhöht. Zudem kann über diese Marker der Erfolg bzw. das Ansprechen einer Therapie bestimmt werden.1

Persönliche Erfahrung

Bei einer durchgeführten Selbstuntersuchung stellte ich eine deutliche Verhärtung des gesamten linken Hodens fest. Dies war am Samstagabend der 13.08.22. Wenige Tage später, am darauffolgenden Mittwoch, dem 17.08.22, wurde ich nach einem Anruf beim Urologen direkt dorthin gebeten und sowohl körperlich als auch per Ultraschall untersucht.

Die Diagnose Hodentumor konnte dort bereits durch meinen Urologen getätigt werden. Er konnte zwar nicht mit Sicherheit sagen, dass es sich um einen bösartigen Tumor handelt, doch war die Wahrscheinlichkeit dafür sehr groß. Gutartige Hodentumore kommen nämlich wirklich selten vor, ich konnte jedoch keine Quelle mit genauen Zahlen ermitteln. Ich bekam Blut abgenommen und einen weiteren Termin 2 Tage später, zu dem mich auch meine Frau begleiten sollte, um über das Ergebnis zu sprechen.

Am Freitag also fand ich mich mit meiner Frau wieder beim Urologen ein. Meine Tumormarker im Blut waren zum Teil stark erhöht. Der AFP-Wert lag bei 230 ng/mL, der Beta-hCG-Wert bei 7750 mU/mL und der LDH-Wert bei 375 U/L. Zum Vergleich, die Normalwerte sollten bei unter 7 ng/mL für AFP, bei 0 mU/mL für Beta-hCG und bei unter 250 U/L für LDH liegen. Aufgrund der Tumormarker konnte mein Urologe bereits mit sehr großer Sicherheit sagen, dass es sich um ein Nichtseminom handelt (siehe den folgenden Abschnitt Arten von Hodenkrebs) und dass sehr wahrscheinlich eine Chemotherapie notwendig sein wird.

Arten von Hodenkrebs (Seminome und Nichtseminome)

Durch Untersuchung von Gewebeproben des Hodens kann die Art des Hodentumors bestimmt werden. Die Bestimmung erfolgt dabei nach der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Grob erfolgt die Einteilung in Seminome (circa 56 von 100 Hodentumoren) und Nichtseminome (circa 37 von 100 Hodentumoren). Dies sind Keimzelltumore, die sich aus den samenproduzierenden Keimzellen (Spermatogonien) entwickeln. Etwa 7 von 100 Hodentumoren entwickeln sich nicht aus den Keimzellen, sondern aus anderen Zellen wie beispielsweise aus den Stützzellen. In sehr seltenen Fällen kann Hodenkrebs auch im Hodensack, in den Samenleitern oder in den Nebenhoden auftreten.1

Zusätzlich gibt es auch noch Vorstufen von Hodenkrebs, die noch einmal gesondert eingeteilt und behandelt werden1. Ich beschränke mich im Folgenden und in meinen anderen Beiträgen größtenteils auf die beiden häufigsten Arten Seminome und Nichtseminome und verweise für die anderen Arten auf die bereits mehrfach erwähnte Patientenleitlinie1. Jedoch sind viele der folgenden Angaben auch für die anderen Typen, teils mit leichten Abwandlungen, gültig.

Seminome und Nichtseminome können auch noch weiter unterteilt werden. Nichtseminome treten zudem häufig als Mischtumore auf und enthalten mehrere Untertypen von Hodentumoren. Da die Behandlung nur zwischen Seminomen und Nichtseminomen unterscheidet, verweise ich den interessierten Leser zur Bestimmung weiterer Untertypen auf die wissenschaftliche Ausführung der S3-Leitlinie2.

Persönliche Erfahrung

Mein Urologe sollte Recht behalten und bei der Untersuchung des Hodengewebes wurde ein Nichtseminom ermittelt. Welche Art von Nichtseminom ich genau habe oder ob es sich wie häufig um einen Mischtumor handelt, weiß ich ehrlich gesagt bis heute nicht. Die Klinik, in der ich die Chemotherapie durchführe, hat lediglich die Information vorliegen, dass es sich um ein Nichtseminom handelt. Die Unterlagen des Labors, das die Untersuchung des Hodengewebes durchgeführt hat, befinden sich in einer anderen Klinik, in der die Hodenoperation durchgeführt wurde, siehe auch weiter unten den Abschnitt Operative Entfernung des Hodens. Daher muss ich die Unterlagen dazu noch einmal gesondert anfordern.

Nachtrag am 31.12.22: Inzwischen habe ich die Unterlagen vorliegen. Tatsächlich war die Sache bei mir wohl nicht wirklich eindeutig, denn der Pathologe konnte trotz 3(!) Begutachtungen lediglich Anzeichen für ein Seminom feststellen. In seinem letzten Bericht schloss er jedoch nicht aus, dass auch ein Nichtseminom mit Seminom-imitierender Morpholgie vorliegen kann. Was vermutlich heißt, sieht aus wie ein Seminom, ist aber eigentlich ein Nichtseminom. Auf der Tumorkonferenz war man sich jedenfalls sicher, dass es um ein Nichtseminom handelt, denn Seminome verursachen keine so hohen AFP-Werte. Letztlich macht es wohl auch keinen wirklichen Unterschied, den die Behandlung unterscheidet sich im Grunde nicht.

Die Behandlung

Die Behandlung unterscheidet sich vor allem darin, in welchem Stadium sich der Hodenkrebs befindet und ob es sich um ein Seminom oder Nichtseminom handelt. Im Allgemeinen lassen sich Seminome besser behandeln und haben auch etwas bessere Überlebenschancen. Die Stadieneinteilung erfolgt aufgrund vielfacher Kriterien, die man am besten einmal selbst in der Patientenlinie nachschlägst oder du konsultierst dazu direkt deinen Urologen bzw. deine Urologin.1 Auf der hier verlinkten Webseite ist die Stadieneinteilung aber auch noch einmal übersichtlich dargestellt. Eventuell werde ich später zur Stadieneinteilung einen eigenen Blog-Beitrag verfassen und hier verlinken.

Kinderwunschklinik

Einige der hier beschriebenen Behandlungsmethoden können die Fruchtbarkeit des Mannes beeinflussen. Deswegen wird dein Urologe dich sicher auch auf das Thema Kinderwunsch ansprechen, wenn du dich im entsprechenden Alter befindest, was bei Hodenkrebs ja leider nicht gerade selten vorkommt. Das Einfrieren von Spermien ist hierbei eine Möglichkeit, um einen späteren Kinderwunsch weiterhin ermöglichen zu können.

Meist findet die Vorstellung des Patienten in einer Kinderwunschklinik kurz vor oder nach der operativen Entfernung des Hodens statt, siehe folgender Abschnitt. Ein Großteil der Kosten wird dabei seit dem 01.07.2021 von den Krankenkassen übernommen, das betrifft unter anderem die Untersuchung und Lagerung der Spermien.7

Operative Entfernung des Hodens

Zu Beginn steht meist die operative Entfernung und Analyse des betroffenen Hodens. Eher selten (1 von 100 Patienten) sind beide Hoden gleichzeitig betroffen, dann wird versucht eine organerhaltende Entfernung des Hodentumors (Enukleation) durchzuführen. Dies wird in der Regel auch dann versucht, wenn beim Patienten nur noch ein Hoden vorliegt, es sich um einen Tumor im stützenden Gewebe des Hodens (Stromatumor) oder einen gutartigen Tumor handelt. Bei sehr weit fortgeschrittenen Metastasen oder in lebensbedrohlichen Situationen wird direkt mit einer Chemotherapie begonnen und die Entfernung des Hodens auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.1

Die oben genannten Fälle sind jedoch eher selten und in der Regel wird der Hoden vollständig entfernt (Ablatio testis). Die Operation selbst ist relativ kurz (ca. 15–20 Minuten) und unkompliziert. Der Verlust des Hodens kann jedoch psychisch belastend sein. Außerdem kann die Operation zu Einschränkungen in der Fruchtbarkeit und in der Testosteronproduktion führen. Es besteht die Möglichkeit, sich eine Hodenprothese aus Silikon einsetzen zu lassen, um den entfernten Hoden zu ersetzen.1

In der Regel werden erst nach der Entfernung des Hodens bildgebende Verfahren (CT/MRT), siehe Abschnitt „Wie wird Hodenkrebs diagnostiziert?„, eingesetzt, um nach Metastasen im Körper des Patienten zu suchen. Als zusätzlicher Hinweis dienen die Tumormarker im Blut. Sollten diese nach der Entfernung des Hodens nicht entsprechend fallen oder gar steigen, so ist das ein ziemlich deutlicher Hinweis auf eine Metastasierung des Hodentumors.1

Aktive Überwachung

Die aktive Überwachung kann unter ganz bestimmten Voraussetzungen als Alternative zu einer aktiven Behandlung (Strahlen-, Chemotherapie, Operation) erfolgen. Diese Voraussetzungen sind beispielsweise dann erfüllt, wenn der Hodenkrebs nicht gestreut hat bzw. nicht gestreut zu haben scheint und damit die Möglichkeit besteht, durch die operative Entfernung des Hodens den Tumor bereits vollständig entfernt zu haben. Mittels sehr engmaschiger Kontrolluntersuchungen (CT, MRT, Blutuntersuchungen) wird ein mögliches Fortlaufen der Krankheit überwacht und erst dann eine Behandlung eingeleitet, wenn diese zweifelsfrei notwendig ist.1

Der Vorteil der aktiven Überwachung liegt darin, dass unnötige Therapien vermieden werden können, die sich ebenfalls auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Patienten auswirken. Ein Nachteil ist jedoch, dass wenn dann wirklich eine Therapie notwendig sein sollte, diese deutlich umfangreicher bzw. intensiver ausfallen muss, als es womöglich zu Beginn der Fall gewesen wäre. Das liegt daran, dass sich aufgrund der verstrichenen Zeit, der Krebs entsprechend weiter ausbreiten konnte. Zudem sind die Kontrolluntersuchungen engmaschiger, als es nach einer aktiven Behandlung der Fall wäre.1

Strahlentherapie

Bei einer Strahlentherapie wird energiereiche ionisierende Strahlung direkt auf das Tumorgewebe gerichtet. Dadurch werden die Zellkerne so geschädigt, dass sich diese nicht mehr teilen können und absterben. Dabei können auch gesunde Zellen in der Umgebung des Tumors betroffen sein. Die Strahlung kann inzwischen jedoch so gezielt eingesetzt werden, dass überwiegend Krebszellen zerstört werden. Die Strahlen tun dabei überhaupt nicht weh, man spürt sie nicht einmal. Eine Strahlentherapie kommt in der Regel nur bei der Behandlung von Hodenkrebsvorstufen, sowie bei der Behandlung von Seminomen in einem frühen Stadium zum Einsatz. 1

Die Strahlentherapie kann häufig ambulant erfolgen, zum Beispiel über fünf Tage von Montag bis Freitag, mit anschließender Erholung über das Wochenende. Die gesamte Dauer der Therapie kann dabei mehrere Wochen betragen. Wie lange die Behandlung dauert, mit welcher Technik genau bestrahlt wird und mit welcher Stärke ist immer individuell abhängig. Speziell ausgebildete Strahlentherapeuten stimmen die Planung mit Ihnen gemeinsam auf Basis deiner Daten ab.1

Nebenwirkungen treten in der Regel nur in der Nähe des Strahlungsfeldes auf. Zudem muss zwischen akuten Nebenwirkungen (innerhalb weniger Stunden oder Tage nach Behandlungsbeginn) oder Spätfolgen (Monate oder Jahre nach Behandlungsbeginn) unterschieden werden. Allgemein können die folgenden Nebenwirkungen bei einer Strahlentherapie auftreten:1

  • Kopf: Haarverlust
  • Bauchbereich: Störungen im Verdauungstrakt (etwa Übelkeit, Erbrechen und Durchfall)
  • Hoden: Beeinträchtigung der Zeugungsfähigkeit und der Hormonbildung
  • Allgemein: Hautreaktionen im Bestrahlungsbereich
  • Spätfolgen: Zweittumorentstehung im Strahlenfeld

Chemotherapie

Chemotherapie Bild
Bildquelle: www.pexels.com8

Beim Vorhandensein von Metastasen, in manchen Fällen auch zur Vorbeugung (adjuvante Behandlung), ist eine Chemotherapie das Standardverfahren zur Bekämpfung von Hodentumoren. Das Prinzip der Chemotherapie ist es, Zellen zu zerstören, die sich schnell teilen, zu denen eben auch die Krebszellen gehören. Dazu werden Medikamente, sogenannte Zytostatika, eingesetzt, die in die Zellteilung eingreifen und so die Vermehrung rasch wachsender Zellen behindern. Da Hodenkrebs zu den schnell wachsenden Zellarten gehört, lässt sich dieser meist gut mit einer Chemotherapie behandeln.1

Da eine Chemotherapie jedoch im gesamten Körper wirkt und entsprechend auch gesunde Zellen trifft, sind auch schnell teilende Zellen des Körpers betroffen. Dazu gehören insbesondere Haut-, Haarwurzel-, Schleimhaut-, spermien- und blutbildende Zellen. Daher kommt es auch zu den bekannten Nebenwirkungen, wie Übelkeit oder Haarausfall, einer Chemotherapie, welche jedoch meist nach Behandlung abklingen oder sich behandeln lassen. Allerdings kann es auch zu Langzeit- oder Spätfolgen kommen. Mehr zu den Nebenwirkungen weiter unten.1

Bei einer Chemotherapie wird meist eine Kombination mehrere Wirkstoffe eingesetzt (Polychemotherapie). Die folgenden Polychemotherapie-Schemata werden am häufigsten bei der Behandlung von Hodenkrebs eingesetzt:1

  • Cisplatin, Etoposid und Bleomycin (PEB)
  • Cisplatin, Etoposid und Ifosfamid (PEI)
  • Cisplatin und Etoposid (PE)

In den meisten Fällen ist die PEB-Chemotherapie zunächst die Standardtherapie. Da das Bleomycin jedoch die Lunge angreifen kann und von manchen Menschen nicht vertragen wird, ist in diesen Fällen ein Wechsel auf eine PEI-Chemotherapie oder eine PE-Chemotherapie notwendig. Dies kann auch der Fall sein, wenn man bereits die maximale Menge an Bleomycin erhalten hat.1

Die Nebenwirkungen einer Chemotherapie sind vielfältig und mitunter stark ausgeprägt. Laut der Patientenleitlinie sind vor allem die folgenden Nebenwirkungen typisch:1

  • Störungen im Verdauungstrakt (zum Beispiel Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit)
  • Störungen des Blutkreislaufes und der Blutbildung (zum Beispiel Blutarmut, Blutgerinnungsstörungen oder erhöhte Infektanfälligkeit)
  • Haarausfall
  • anhaltende Erschöpfungszustände (Fatigue)
  • Veränderungen des Hörvermögens
  • Störungen der Nervenempfindlichkeit zum Beispiel an den Händen (Polyneuropathie)
  • Störungen des Konzentrationsvermögens
  • Störungen der Fruchtbarkeit und Sexualität

Über den Ablauf einer Chemotherapie bei Hodenkrebs habe ich in diesem Beitrag berichtet. Zudem findet ihr weiter unten unter persönliche Erfahrungen weitere Links über den Ablauf meiner Hodenkrebserkrankung.

Weitere Operationen

Nach einer Strahlen- oder Chemotherapie ist es insbesondere bei Nichtseminom-Patienten relativ häufig (ca. 30 %)2 notwendig, weiterhin vergrößerte Lymphknoten mittels einer Operation zu entfernen. Diese Operation wird als retroperitoneale Lymphadenektomie, kurz RLA, bezeichnet. In wenigen Fällen stellt diese Operation auch eine Alternative zur aktiven Überwachung oder Chemotherapie bei Nichtseminom-Patienten im ersten Stadium dar.1

Die Operation selbst ist komplex und erfordert ein großes Maß an Erfahrung und Kenntnis. Ziel ist es alle Metastasen komplett und das begleitende Nervengeflecht der Lymphbahnen schonend zu entfernen und zu untersuchen. Neben den üblichen, eher kleineren und/oder selteneren Nebenwirkungen einer Operation wie Probleme bei der Wundheilung, eine Infektion oder Verdauungsbeschwerden, können bei einer RLA Nerven verletzt werden, die für den Samenerguss notwendig sind. Werden sie beschädigt oder gar durchtrennt, hat der Mann entweder gar keinen Samenerguss (Anejakulation) mehr oder einen sogenannten rückwärtigen Samenerguss (retrograde Ejakulation), bei dem der Samen in die Harnblase entleert wird. Dadurch geht die natürliche Zeugungsfähigkeit verloren.1

Bei der sogenannten nervenschonenden RLA, die heute zum Standard gehört, konnte laut Studien bei Nichtseminom-Patienten im Stadium I bei 93 von 100 Patienten der nach vorn gerichtete Samenerguss erhalten bleiben. Auch die Potenz und die Orgasmusfähigkeit bleiben meist erhalten.1 Bei einer RLA nach voriger Chemotherapie kommt es häufiger zu Problemen bezüglich des nach vorne gerichteten Samenergusses. Je nach voriger Größe und Lage des Tumors sinkt die Wahrscheinlichkeit den nach vorn gerichteten Samenerguss zu erhalten auf bis zu 31 %.2 Wichtig ist es aber in jedem Fall, sich in einem spezialisierten Zentrum einer solchen Operation zu unterziehen, um die Erfolgschancen zu maximieren.

Persönliche Erfahrung

Die operative Entfernung meines linken Hodens erfolgte am 30.08.2022 ohne jegliche Komplikationen. Ich erhielt eine Rückenmarksnarkose, wodurch ich etwa ab dem Bauch an vollständig taub war und die gesamte Operation live mit erlebte. Die Gabe der Narkose war etwas unangenehm, aber mehr auch nicht. Alternativ ist auch eine Vollnarkose möglich, aus früheren schlechten Erfahrungen war ich aber froh darauf verzichten zu können. Wenige Stunden nach der Operation, ich glaube, es waren etwa drei, konnte ich wieder ganz normal laufen. Einen Tag lang blieb noch eine Drainage in der Wunde, um überflüssiges Blut zu entfernen.

Der Einschnitt zur Entnahme des Hodens erfolgte an der Leiste und nicht am Hodensack selbst. Die Wunde wurde anschließend geklammert und die Klammern selbst wurden etwa 8-10 Tage später entfernt. Die Heilung des Einschnitts verlief auch vollkommen problemlos, ich war etwa 2,5 Wochen später testweise sogar eine leichte Runde joggen und hatte keinerlei Probleme.

Am Morgen des Tages nach der Operation wurde ein CT meines Oberkörpers durchgeführt, um die Ausbreitung des Tumors zu diagnostizieren. Dabei wurde ein sogenanntes Lymphompaket im Oberbauch mit einer Größe von ca. 4 cm mal 8,7 cm festgestellt. Ich habe keine genaue Definition für den Begriff „Lymphompaket“ gefunden, nehme aber an, dass damit eine vergrößerte, zusammenhängende Lymphknotenmasse gemeint ist, die ursprünglich aus mehreren einzelnen Lymphknoten bestand. Es wurden zudem vereinzelte, bis 1 cm große Lymphknoten in der Leistengegend erkannt. Zum Glück gab es jedoch keine weiteren Metastasen in den Organen, wie der Lunge, sodass sich der Tumor zumindest dorthin noch nicht ausgebreitet zu haben schien. Wie von meinem Urologen jedoch bereits vermutet, war eine Chemotherapie nun definitiv unumgänglich.

Bereits 3 Tage nach der Operation am 02.09.2022 hatte ich einen Termin in einer Kinderwunschklinik, um meine Spermien untersuchen und konservieren zu lassen. Da ein Risikofaktor für Hodenkrebs Unfruchtbarkeit ist, hatte ich zugegebenermaßen Bedenken, ob ich überhaupt zeugungsfähig bin. Obwohl die Operation am Hoden erst kurz zuvor durchgeführt wurde, gab es bei der Probenentnahme, wie es so schön heißt, keine Probleme. Ein Anruf der Praxis wenige Stunden später meldete dann auch glücklicherweise die erfolgreiche Konservierung von 23 Proben und zudem, dass ich auch auf natürlichem Wege zeugungsfähig bin.

Der Großteil der Kosten wird, wie oben bereits beschrieben, von der Krankenkasse übernommen. Ich musste jedoch für ein steriles Verpackungsset, Versandkosten und kleinere Tests selbst Kosten in Höhe von ca. 90 € übernehmen. Zudem hätte ich die Kosten für die Untersuchung der Spermien in Höhe von ca. 100 € selbst tragen müssen, wenn es anschließend nicht zu einer Konservierung, beispielsweise wegen Unfruchtbarkeit, gekommen wäre. Ob das eine sinnvolle Regelung ist, kann denke ich jeder selbst für sich entscheiden.

Etwa 2,5 Wochen nach der Operation erhielt ich einen Anruf von meinem Urologen. Die labortechnische Untersuchung des entfernten Hodens war abgeschlossen und die Blutwerte, sowohl vor als auch nach der Operation wurden in einer sogenannten Tumorkonferenz besprochen. Bei solch einer Tumorkonferenz treffen sich eine Reihe von Experten und Expertinnen und beraten das weitere Vorgehen bei einem Krebspatienten. Meine Blutwerte waren postoperativ, also nach Entfernung des Hodens, weiter gestiegen (Beta-hCG von ca. 7000 mU/mL auf 9000 mU/mL, AFP von ca. 280 ng/mL auf 328 ng/mL, LDH etwa unverändert bei 380 U/L). Das Ergebnis der Tumorkonferenz war dann wie folgt: 4 Zyklen Polychemotherapie nach PEB-Schema. Ich sollte mich dazu persönlich in der entsprechenden Abteilung (Uroonkologie) des Krankenhauses zur Terminabsprache melden.

Die Terminabsprache war zunächst wegen Urlaub einer Mitarbeiterin und einem zusätzlichen Termin zur Porteinlage in der Chirurgie ein kleines Hin- und her. Letztlich wurde die Porteinlage für den 26.09.2022 (Montag) geplant und der Beginn des 1. Zyklus für den 28.09.2022 (Mittwoch). Ein Port ist ein dauerhafter Zugang von außen in eine Vene. Er wird häufig bei Krebspatienten eingesetzt, um die Gabe von Medikamenten zu erleichtern. Mehr Informationen dazu findest du beispielsweise auf dieser Webseite.

Die Porteinlage verlief zunächst reibungslos, jedoch machte mein Kreislauf gegen Ende der OP (Dauer ca. 30-45 Minuten) etwas schlapp. Zudem hatte ich eine kleine, sehr seltene allergische Reaktion gegen Fenistil, einem Antiallergikum, was in sich natürlich eine gewisse Ironie hat. Ansonsten verlief jedoch alles Weitere relativ problemlos und ich konnte das Krankenhaus eine Woche später am 03.10.2022 (Montag) wieder verlassen.

Mehr über meine Erfahrungen vor und vor allem während der Chemotherapie findet ihr den folgenden Beiträgen:

Überlebenswahrscheinlichkeit

Hodenkrebs gehört zu den Krebserkrankungen mit den höchsten Überlebenswahrscheinlichkeiten. Je nach Art (Seminom oder Nichtseminom) sowie des Stadiums variiert die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Hodenkrebspatienten. Zudem ist vor allem in fortgeschrittenen Stadien eine Korrelation zwischen Überlebenswahrscheinlichkeit und der Erfahrung des behandelnden Zentrums zu erkennen, sodass Patienten in fortgeschrittenen Stadien dringend empfohlen wird, sich an ein solches Zentrum mit Erfahrung zu wenden. Die Adressen von Zentren mit ausgewiesener Erfahrung erhältst du über die Homepage der Hodentumorgruppe unter www.hodenkrebs.de.1 Die Einteilung der Stadien ist auf dieser Webseite recht anschaulich dargestellt.

In den meisten Veröffentlichungen und Beiträgen zum Thema Hodenkrebs findet man Angaben zur 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit, welche angibt, wie viele Patienten 5 Jahre nach der Diagnose noch leben. Im Falle von Hodenkrebs sind das 96 von 100 Betroffenen, gemittelt über alle Arten und Stadien hinweg.1 Die Angaben unterteilt nach Stadien und Art in der Patientenleitlinie sind hingegen etwas verwirrend, da sich die Angaben hinsichtlich der metastasierten Stadien in der dort hinterlegten Tabelle und im Text unterscheiden. Die Angaben aus dem Text stimmen mit den Angaben aus S3-Leitlinie überein, sodass ich diese in der folgenden Tabelle übernehme:

Art und Stadium der Erkrankung5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit
Seminome98 von 100
Nichtseminome95 von 100
Stadium I
(Seminome und Nichtseminome)
99 von 100
Metastasiertes Stadium
Gute Prognose
(Seminome und Nichtseminome)
86 bis 95 von 100
Metastasiertes Stadium
Mittlere Prognose
(Seminome und Nichtseminome)
72 bis 85 von 100
Metastasiertes Stadium
Ungünstige Prognose
(Nichtseminome)
48 bis 64 von 100

Die Werte für die metastasierten Stadien stammen aus zwei verschiedenen Quellen (eine von 1997, eine von 2017), weshalb an dieser Stelle ein Wertebereich angegeben ist. Insgesamt scheinen sich die Überlebenswahrscheinlichkeiten für die metastasierten Stadien stetig zu verbessern, wie in einigen aktuellen Studien gezeigt werden konnte:

Studie/AutorBehandlungs-
zeitraum
Gute PrognosegruppeMittlere PrognosegruppeSchlechte Prognosegruppe
IGCCCG, 199791975 - 1990917948
Kier, 2017101984 - 2007958564
van Dijk, 200611
1989 - 2001948371
Indiana, 2015122000 - 2012958971
Hentrich, 2021132000 - 2013989666

Die ersten beiden Studien aus dieser Tabelle sind auch die Studien, die in der S3-Leitlinie angegeben sind. Warum die unteren Werte für die gute und mittlere Prognosegruppe abweichen, kann ich an dieser Stelle auch nicht wirklich erklären. Eventuell hat es etwas mit der Aufteilung in Seminome und Nichtseminome zu tun, aber ich kann an dieser Stelle wirklich nur mutmaßen.

Tendenziell scheint die Überlebensrate für Hodenkrebspatienten im metastasierten Stadium über die Jahre weiter anzusteigen. Dazu sei gesagt, dass es sich bei den ersten drei Veröffentlichungen aus der obigen Tabelle um die Analyse größerer Datenbanken oder Metaanalysen mehrerer Studien handelt, während die beiden unteren kleineren Studien an einem bestimmten Standort (Indiana und München) durchgeführt wurden. Entsprechend ist die Anzahl der untersuchten Patienten in den ersten drei Studien deutlich höher (5202, 1889 und 1775 gegenüber 403 und 225), allerdings wird die durchschnittliche Versorgungsqualität in beiden letztgenannten aufgrund der dortigen Erfahrung mutmaßlich etwas höher sein, als im Durchschnitt aller in den großen Studien inkludierten Kliniken.

Auf eine weitere interessante Entdeckung bezüglich der Überlebensrate bin ich in einer weiteren Studie gestoßen. Dazu kurz die Anmerkung, dass sich alle Blutwerte auf den Stand vor Beginn der Chemotherapie beziehen. Laut dieser Studie sind ein AFP-Wert von größer 6.000 IU/ml oder ein AFP-Wert von größer 1.982 IU/ml in Verbindung mit einem LDH-Wert über dem dreifachen des normalen Höchstwertes von 250 U/l unabhängige Prognosefaktoren für eine schlechtere Überlebenschance. Anders ausgedrückt, liegt man unter den oben genannten Werten, geht das mit einer höheren Überlebenschance einher. Unterschiedliche Beta-hCG-Werte hatten keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit.14

Persönliche Erfahrung

Ich selbst befinde mich in Stadium III-B, was der mittleren Prognosegruppe der metastasierten Stadien entspricht. Ich bin allerdings nur relativ knapp in dieser Gruppe, was auf meinen relativ hohen Beta-hCG-Wert zurückzuführen ist. Aus diesem Grund muss ich auch vier statt drei Zyklen PEB-Chemotherapie durchstehen. Da die Überlebenswahrscheinlichkeiten für die mittlere Prognosegruppe stetig zu wachsen scheinen, ich überhaupt nur relativ knapp in dieser Gruppe gelandet bin, meine Tumormarkerwerte unter der Grenze von 1.982 IU/ml für AFP und dreifachen des normalen LDH-Höchstwertes liegen und ich mich zudem an einem Zentrum mit ausgewiesener Erfahrung befinde, bin ich sehr zuversichtlich diese Krankheit überstehen zu können.

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  1. Patientenleitlinie – Konsultationsfassung Hodenkrebs – Ein Ratgeber für Patienten, Juli 2021, Leitlinienprogramm Onkologie, zum PDF [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] [] []
  2. S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Keimzelltumoren des Hodens, Langversion 1.1, Leitlinienprogramm Onkologie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), Deutschen Krebsgesellschaft e.V. (DKG) und Deutschen Krebshilfe (DKH) Februar 2020, zum PDF [] [] [] [] []
  3. Lauf dem Krebs davon: Die Kraft des Sports zur Genesung nutzen (GU Ratgeber Gesundheit), Prof. Dr. Martin Halle, 2016 []
  4. Behandlungsergebnisse von Keimzelltumoren des Hodens – eine retrospektive Studie im Zeitraum von 2000 bis 2015 an der Klinik für Urologie der Universität Rostock, Dissertation, Simon Koppe, 2020, zum PDF []
  5. Früherkennung von Hodenkrebs, Deutsche Krebsgesellschaft, 2017, Link [] []
  6. Selbstuntersuchung der Hoden: So geht’s, Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. in Kooperation mit dem Berufsverband der Deutschen Urologen e. V., 2019, Link [] []
  7. Einfrieren von Eizellen und Spermien bei Krebs, Krebsinformationsdienst, 2021, zum Artikel []
  8. Bildquelle: Anna Tarazevich, Link []
  9. International Germ Cell Consensus Classification: a prognostic factor-based staging system for metastatic germ cell cancers. International Germ Cell Cancer Collaborative Group, keine Autorenangabe, zum Artikel []
  10. Prognostic Factors and Treatment Results After Bleomycin, Etoposide, and Cisplatin in Germ Cell Cancer: A Population-based Study, Kier et al., 2017, zum Artikel []
  11. Survival of non-seminomatous germ cell cancer patients according to the IGCC classification: An update based on meta-analysis, van Dijk et al., Eur J Cancer 42:820-826, 2006, zum Artikel []
  12. A retrospective analysis of patients with metastatic germ cell tumor (GCT) treated at Indiana University (IU) from 2000 to 2012, Ku et al., ASCO 2015, J Clin Oncol 33, 2015, zum Artikel []
  13. Improved outcomes in metastatic germ cell cancer: results from a large cohort study, Hentrich et al., Journal of Cancer Research and Clinical Oncology volume 147, pages 533–538, zum Artikel []
  14. The prognostic impact of different tumor marker levels in nonseminomatous germ cell tumor patients with intermediate prognosis: A registry of the International Global Germ Cell Tumor Collaborative Group (G3), Seidel et al., Urologic Oncology: Seminars and Original Investigations, Volume 37, Issue 11, 2019, zum Artikel []
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Uwe Kaufmann
Uwe Kaufmann
1 Jahr zuvor

Ganz toller Bericht. Danke, das gibt Mut 🙂

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